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"Plötzlich denkt man an den 11. September"
Der Schreck war groß, als um 16.11 Uhr Fahrstühle und U-Bahnen stehen blieben und 50 Millionen Menschen ohne Strom dastanden. Doch dann gab man sich gelassen. "Eines kann ich sicher sagen, das war kein Terroranschlag", beruhigte Präsident Bush. "Schauen Sie aus dem Fenster, hören Sie Radio", empfahl Bürgermeister Bloomberg. </span>
New York - Eine erstrahlte in New York trotzdem in gewohntem Glanz: Miss Liberty. Die Beleuchtung der Freiheitsstatue wird nicht aus dem städtischen Stromnetz versorgt. Ansonsten versank die Stadt im Dunkel. In der Acht-Millionen-Metropole New York gingen vier Stunden nach dem Ausfall die ersten Lichter wieder an. Die Bronx, Westchester County und Long Island hatten am späten Donnerstagabend (Ortszeit) wieder Strom. Auch für die Hälfte der rund eine Million Haushalte und Büros, die in New Jersey von dem Ausfall betroffen waren, gab es wieder Elektrizität.
Die Menschen im Stadtteil Manhattan mussten allerdings nach Angaben des Nachrichtensenders CNN noch länger ohne Energie ausharren. In der Nacht warteten noch Tausende von Menschen am Bahnhof Grand Central Station und an Bushaltestellen auf eine Möglichkeit, nach Hause zu kommen.
Im kanadischen Toronto haben dagegen inzwischen nach Medienangaben viele Haushalte, Unternehmen und Behörden wieder Energie für Licht, Klimaanlagen oder Telefon. In andere Regionen Kanadas war der Strom schon früher zurückgekehrt.
"Tun Sie einfach so, als wäre das ein Schnee-Tag", empfahl der Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, den Einwohnern der Metropole. Im Winter kommt das öffentliche Leben in New York bei Schneestürmen regelmäßig zu erliegen, was die New Yorker aber recht gelassen nehmen. In der City Hall, wo ein Notstromaggregat für Licht sorgte, fügte Bloomberg hinzu: "Schauen Sie aus dem Fenster, hören Sie Radio." Doch der Blick aus dem Fenster offenbarte freilich meist düstere Aussichten, und das Radio musste batteriebetrieben sein. "Und es wäre nicht die schlechteste Idee, einen Tag frei zu nehmen."
Nach Angaben der New Yorker Polizei kam es trotz des "Blackouts" auch in den Nachtstunden nicht zu einem Anstieg der Kriminalität. Laut CNN waren dort rund 40.000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Nur in Brooklyn kam es vereinzelt zu Plündereien. In der kanadischen Hauptstadt Ottawa zogen einige Jugendliche in der Dunkelheit randalierend durch die Straßen. Es wurden mindestens fünf Fälle von Plünderungen gemeldet. Insgesamt blieb die Lage in den betroffenen Städten jedoch weitgehend ruhig.
"Lektion für unser Land"
"Alle sind einfach ausgeflippt", beschrieb eine Krankenschwester in New York die Reaktionen, als der Strom ausfiel. "Plötzlich denkt man an den 11. September." Eine andere Frau berichtete, sie sei auf dem Dach des Empire State Building gewesen. "Wir mussten 86 Stockwerke nach unten laufen", sagte sie. "Ich musste immer an die Zwillingstürme denken, und wie ich nach unten kommen würde, aber alle blieben ruhig."
Die Gelassenheit der Menschen dürfte verhindert haben, dass es zu einer Katastrophe kam. Denn das Chaos war groß. Neun Atomkraftwerke wurden abgeschaltet, und der Verkehr brach zusammen. Die Staaten New York und New Jersey riefen den Notstand aus. US-Präsident George W. Bush sagte den betroffenen Regionen rasche Hilfe zu. "Langsam aber sicher werden wir mit diesem massiven, nationalen Problem fertig", sagte Bush in San Diego. Eine sofortige Rückkehr zur Normalität dürften die Betroffenen jedoch nicht erwarten. "Das ist eine ernste Situation", sagte Bush. Es habe sich aber mit Sicherheit nicht um einen Terrorakt gehandelt. Bush nannte den Blackout eine "Lektion für unser Land".
Der Stromausfall hatte in New York U-Bahnen, Aufzüge und die drei Flughäfen der Stadt lahm gelegt. Einige Pendler saßen noch Stunden nach Beginn des Ausfalls in U-Bahnen fest. Inzwischen sollen alle Menschen befreit sein. Auch die Gebäude der Vereinten Nationen und der Börse waren betroffen. Tausende Menschen strömten aus den Hochhäusern von Manhattan und machten sich bei Temperaturen über 30 Grad zu Fuß auf den Weg nach Hause. Die Telefonverbindungen waren zum Teil gestört. Der Staat New York war zu 80 Prozent ohne Elektrizität.
Widersprüchliche Angaben über Ursache
In dem ganzen Chaos sei aber niemand verletzt worden, betonte Bloomberg. Mehr als 40.000 Polizisten und Feuerwehrmänner wurden in New York eingesetzt, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.
Die New Yorker Polizei beorderte alle Beamten zum Dienst und postierte Wachen an Banken und Geldautomaten. "Wir haben keine Fälle von Plünderungen, aber wir sind zu beschäftigt, um jeden Kleindiebstahl zu verfolgen", sagte ein Polizeisprecher. Während Stromausfällen in den Jahren 1977 und 1965 hatten Plünderer Millionenschäden angerichtet.
Der Ausfall habe vermutlich in der Gegend der Niagara-Fälle begonnen und sich durch New York nach Connecticut, New Jersey und Ohio ausgebreitet. Betroffen waren auch Teile von Michigan, Pennsylvania und Vermont sowie die kanadischen Großstädte Toronto und Ottawa. Das Gesamtgebiet, das ein Dreieck bildet, umfasst eine Fläche von rund 200.000 Quadratkilometern. Das entspricht etwas mehr als der Hälfte Deutschlands oder ist fast drei Mal so groß wie Bayern. Am Abend wurde in einigen Städten der Ausfall behoben, wenig später gingen auch in New York die ersten Lichter wieder an.
Die kanadische Regierung nannte zunächst einen Blitzeinschlag als Auslöser des Blackouts. Später hingegen sprach Verteidigungsminister John McCallum in Ottawa von einem Feuer in einem Atomkraftwerk in Pennsylvania. Die US-Behörden wiesen beide Informationen als falsch zurück.
"Ich war da, als der Strom weg war"
Bloomberg rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. "Stellen Sie sicher, dass eine Unannehmlichkeit nicht zur Tragödie wird", sagte der Bürgermeister am Abend (Ortszeit) auf einer Pressekonferenz. Der Bürgermeister kündigte eine umfassende Untersuchung über die Ursache an. Er rief die mehr als acht Millionen New Yorker auf, ihre Lichter und Klimaanlagen auch nach Wiederherstellung der Stromversorgung zunächst nicht anzuschalten.
Die Brücken nach New York wurden für den Verkehr stadteinwärts gesperrt. Mit Blick auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 sagte Bloomberg: "Wir werden dies hier als weiteren Test für New York in Erinnerung behalten."
Die meisten Krankenhäuser könnten ihren Betrieb mit Notstrom fortsetzen, berichtete Bloomberg. In einer Klinik in Brooklyn sei der Strom allerdings ausgefallen. Sein Rat: "Verbringen Sie die Zeit, gehen Sie in Gaststätten, und morgen früh können Sie sagen, ich war da, als der Strom weg war."
Die meisten Geschäfte waren auch Stunden nach dem Blackout noch verriegelt. Einige Menschen standen mit Transistorradios an den Straßenecken und hörten in lokalen Rundfunksendern neueste Informationen zur Lage.
Bereits 1965 und 1977 war es in Nordamerika zu vergleichbaren Blackouts gekommen. Während es 1977 aber zu hunderten von Plünderungen und Unruhe gekommen war, gab es offiziellen Angaben zufolge diesmal keine solchen Vorfälle.
quelle und mehr links:
http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,261297,00.html